Folge uns
.

Nachspiel

Das #KOEFCB-Nachspiel: Wat schriev mer en su enem Fall?

Die imposante Heimserie des 1. FC Köln reißt im Duell gegen ein schier übermächtiges Bayern München. Es war eine Lehrstunde, die alle zusammen rechtzeitig wieder erdet.

Foto: SASCHA SCHUERMANN/AFP/Getty Images

Die imposante Heimserie des 1. FC Köln reißt im Duell gegen ein schier übermächtiges Bayern München. Es war eine Lehrstunde, die alle zusammen rechtzeitig wieder erdet. 

Irgendwann war es dann soweit, Mitte der zweiten Halbzeit. Die eh schon nur partiär ausgeprägte Aufmerksamkeit war komplett verschwunden. Irgendwo im Hintergrund spielte der effzeh noch Fußball. Gegen die Bayern. Es wirkte wie ein lockerer Kick im Grüngürtel. Die einen technisch versierter, die anderen einen Tick motivierter. Und doch passierte gefühlt einfach gar nichts. Bayern zelebrierte den Schongang (schließlich ist ja bald wieder Champions League), der effzeh versuchte sein Bestes und wirkte doch wie ein Normalsterblicher gegen Bud Spencer.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Am Ende setzte Ribery noch zur abschließenden Backpfeife an: 3:0 Bayern. Tat weder weh noch machte irgendwas mit einem. Auf Twitter schrieb der effzeh-Fan Florian Blaschke (aka @trotzendorff) kurz nach dem Spiel: „Das Gefährliche am @FCBayern ist, dass man in der Niederlage gegen ihn genauso leidenschaftslos zu werden droht wie dieser Verein im Sieg.“ Ich dachte darüber nach, auf dem Weg zur Bahn. Auf dem Weg von der Haltestelle bis in die Kneipe. Auf dem Weg von der Theke nach Hause. Er hatte Recht. Das Ergebnis des Spiels war vorher klar, war währenddessen klar und tat hinterher nicht weh. Es war Gleichgültigkeit. Bei einem effzeh-Spiel. Paradox.

Ein feiner Kicker, ein paar feine Erkenntnisse

Aber dann schaute ich zuhause ein wenig ins Re-Live. Und bewunderte Thiago, wie er all das, was Millionen wie du und ich unter Mühen nicht ansatzweise hinbekommen, so leicht und locker aus dem Fußgelenk schüttelt. Wie er Pässe schlägt, Bewegungen antäuscht, wie zwischen den Linien agiert, wie er Lücken erahnt, Lücken reißt, Lücken bespielt. Ein wunderbarer Antreiber, ein unfassbarer Kicker. So wunderbar wie meilenweit entfernt vom effzeh. Wie auch ein Javi Martinez. Macht das 1:0. Räumt hinten unfassbar auf. Treibt von hinten an. Einmal klärt er mit einem eingesprungenen Scherenschlag. Mein Herz pocht dabei. Martinez kostete die Bayern mehr als unser gesamter Kader an Ablösen in der gesamten Karriere eingespielt hat, verdient vermutlich ein Drittel unseres Lizenzspieleretats. Absurde Dimensionen.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Wat schriev mer en su enem Fall? Es ist gar nicht so einfach, eine Partie gegen diese Über-Bayern vernünftig einzuordnen. Vor dem 0:1 zu wenig Zugriff, vorher Pech bei Osakos Kopfball, der vermutlich gegen 16 andere Bundesligisten die Führung bedeutet hätte. In der zweiten Hälfte direkt nach Wiederbeginn der Nackenschlag durch Bernat, danach langes Austrudeln und das 0:3 durch Ribery. Für die einen eine lockere Trainingseinheit, für uns eine Lehrstunde. Und doch stechen Erkenntnisse heraus: Kessler leider wacklig, Osako und Höger spielstark, der wieder stabile Sörensen leider der nächste Patient, Clemens noch nicht in Köln angekommen. Es sind Nuancen, die gewertet werden können. Kleine Feinheiten, die auffallen. Ansonsten bleibt zu konstatieren: Der eine Über-Tag gegen die Über-Bayern – der ist ausgeblieben.

effzeh-Spiele gegen die Bayern: Ritte auf der Rasierklinge

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

War der effzeh zu passiv? Nicht giftig genug in den Zweikämpfen? Erschreckten die Spieler wie das Kaninchen vor der Schlange? Vielleicht. Vielleicht aber auch aus gutem Grund. Wer sich anschaut, was mit Gegnern passiert, die gegen den Rekordmeister zu offen agierten, kann gerne bei Arsené Wenger anrufen. Oder bei Markus Gisdol. Oder auch auf Schalke nachfragen. Die nötige Balance zwischen dem inneren Sicherheitssalamander und der Abteilung Attacke zu finden – ein Ritt auf der Rasierklinge gegen ein derart starkes Team wie das der Münchener. Wie sowas enden kann? Schaut auf das 0:2 – etwas zu offen, etwas zu viel riskiert, direkt Ohrlasche. Für den offenen Schlagabtausch gegen Wladimir Klitschko ist der Kölner Hänfling noch zu schwach auf der Brust. Keine neue Erkenntnis, aber eine, die es immer wieder vor Augen zu führen gilt. Zwischen Köln-Müngersdorf und diesem Ufo auf der Fröttmaninger Müllkippe liegen geographisch knapp 600 Kilometer, zwischen dem sportlichen Ist-Zustand der Klubs Millionen Lichtjahre.

Wenn der effzeh selbst mit voller Kapelle auf ein Wunder hoffen muss, um diesen Bayern einen Punkt abzuknöpfen, wie sehen dann die Chancen erst ohne die Hälfte der Stammbesetzung aus? Die Ausfälle durch Verletzungen aufzuzählen ist mittlerweile müßig, dazu musste Jonas Hector nach seiner fünften gelben Karte gesperrt passen. Das merkte man dem Spiel (und nicht nur diesem) auch zeitweise an – das Niveau, all das zu kompensieren, das hat der effzeh noch nicht. Dennoch bot man dem Rekordmeister die Stirn. Manchmal couragiert, manchmal einen Tick zu passiv, manchmal zu ungestüm und manchmal zu ängstlich – nach 90 Minuten konnte man aber zufrieden sein. Man hat das auf den Platz gebracht, was man konnte – das reicht gegen eines der besten Teams des Kontinents mitunter eben nur zu einem 0:3. Keine schreckliche Erkenntnis, aber eben doch manchmal ernüchternd.

Bayern-Fan? Kein Leben für mich!

Foto: SASCHA SCHUERMANN/AFP/Getty Images

Ernüchternd zu sehen, wie einsam der Branchenprimus seine Runden dreht. Und dreht. Und dreht. Der fünfte Titel in Serie ist weiterhin nur Formsache. In der Champions League ist das Viertelfinale nach einer 5:1-Demonstration im Hinspiel gegen Arsenal schon gebucht. Der Rubel rollt noch besser, noch schneller, noch kreativer als der Ball. Im Vorjahr schüttete die UEFA 64 Millionen Euro an die Bayern aus. 64 Millionen Euro – das ist ungefähr der doppelter Lizenzspieleretat des 1. FC Köln. Die Schere zwischen Superreich und Nicht-ganz-so-reich wird auch in der Bundesliga nicht geringer – im Gegenteil: Fällt Donald Trump nicht in den nächsten Monaten ein, die Weltwirtschaft zu Boden zu twittern, dann wird diese Kapitalakkumulation („Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“) so schnell nicht enden. Aussicht nach oben? Vergiss es!

Für die Bayern-Fans eine verlockende Aussicht: Erfolg als perpetuum mobile. Und ich überlege, ob ich sowas gern hätte. Ins Stadion fahren und nicht den Nervenkitzel spüren, dass das heute ein besonderes Spiel sein könnte. Einen Punkt in Freiburg feiern, als gäbe es kein Morgen mehr. Sich die Fingernägel abkauen, weil jeder Gegentreffer vielleicht das Ende eines ganz großen Traums sein könnte. Oder der Anfang eines unfassbaren Albtraums. Und das heißt nicht im Halbfinale der Champions League auszuscheiden. Oder erst Ende April Deutscher Meister zu werden. Mir fehlt da ganz offensichtlich die Empathie. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, wie es ist, Bayern-Fan zu sein. Dieses ewige Glück, dieser dauernde Sonnenschein. Weiß man das noch zu schätzen, wenn man den Schatten nicht mehr kennt? Vielleicht bin ich auch einfach zu sehr effzeh-geprägt. Vielleicht habe ich Tim Parks zu ernst genommen. Vielleicht kann ich auch mit zu viel Erfolg gar nicht umgehen.

Europacup? In Ingolstadt!

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Und da ist es doch gut, dass wir nach den Duellen gegen Schalke und München so herrlich geerdet wurden. Der effzeh ist noch kein Top-6-Team. Und darf nach einer Lehrstunde der Überirdischen wieder gegen Seinesgleichen antreten. Jetzt gilt es, wenn der Traum Wirklichkeit werden soll. Jetzt kommen die Partien, wo Punkte sogar Pflicht sein könnten, wenn es nach Baku gehen soll. Da sind sie auch wieder da, diese am Samstag so verzweifelt vermissten Emotionen. Europacup – in Ingolstadt. Es sah schon einmal viel schlimmer aus. Dat schriev mer en su enem Fall!

Mehr aus Nachspiel

.