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Vorspiel

Der 1. FC Köln vor dem Baryssau-Duell: Auf Erkundungstour ins Unbekannte

Der 1. FC Köln gastiert bei BATE Baryssau: Während es für das Team eher eine lästige Pflichtaufgabe wird, ist es für uns Fans der Lohn für das lange Leiden.

LONDON, ENGLAND - SEPTEMBER 14: FC Koeln stickers are seen outside of Emirates ahead of the UEFA Europa League group H match between Arsenal FC and 1. FC Koeln at Emirates Stadium on September 14, 2017 in London, United Kingdom. (Photo by Richard Heathcote/Getty Images)
Foto: Richard Heathcote/Getty Images

Der 1. FC Köln gastiert bei BATE Baryssau: Während die Partie für die Spieler mehr zur lästigen Pflichtaufgabe wird, ist es für uns Fans die Belohnung für das lange Leiden.

So richtig überrascht wirkte die Beamtin im Bezirksrathaus nicht. „Soso, sie brauchen also einen Reisepass?“, fragte sie mit möglichst neutraler Stimme – und schob hinterher, bis wann ich den denn bräuchte. Das Lächeln, als ich als Datum den 18. Oktober angab, war dann nicht mehr so neutral. „Ach, auch zum 1. FC Köln nach Weißrussland!“, sagte sie mit verständnisvollem Nicken, „Sie sind heute nicht der Erste. Und Sie werden auch nicht der Letzte sein!“

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Der Startschuss zu diesem Trip fiel schon viel, viel früher: Am 20. Mai machte der effzeh unseren großen Traum wahr und brachte nach 25 Jahre langem Warten die Qualifikation für den Europapokal unter Dach und Fach. Am 25. August folgte die Auslosung, die uns neben dem Highlight-Los Arsenal FC auch die interessanten Auswärtsfahrten nach Belgrad und Baryssau bescherte. Doch was heißt hier „Fahrt“? Geflogen wird. Direkt nach Bekanntgabe der Spieltermine hektisches Wirken, die Suchmaschinen auf den Vergleichsportalen glühten, die Flüge unter Dach und Fach gebracht.

Zwei Tage Vollgas für den 1. FC Köln

Die geplante Tour liest sich eigentlich grundsolide: Chlodwigplatz 4.30 Uhr, Köln HBF 5 Uhr, Düsseldorf Flughafen 6.15 Uhr, Flug nach Warschau 7.20 Uhr, kurz nach 9 Uhr dort Ankunft, um 11 Uhr weiter Richtung Minsk, Zeitverschiebung, 14 Uhr Landung in der weißrussischen Hauptstadt, Innenstadt, Freunde treffen, Zugtour Richtung Baryssau (budget-sprengende 60 Cent das Ticket), Spiel schauen, zurück nach Minsk, Nacht durchmachen, 7 Uhr Rückflug über Kiew nach Düsseldorf, Freitagnachmittag wieder in Köln. Hat mich hier irgendjemand verrückt genannt? Lieber nicht bei Trost als nicht bei dir, lieber FC!

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Weißrussland – viel ist mir bislang nicht bekannt über das Land. Ehemalige Sowjetrepublik, im zweiten Weltkrieg von uns Deutschen schwer geschunden und danach durch die UdSSR nicht wieder in die Freiheit entlassen worden. Eine autokratische Diktatur, beherrscht von einem skrupellosem Regime unter dem autoritären Despoten Aljaksandr Lukaschenka. Mitunter aufgrund gravierender wirtschaftlicher Probleme als „Armenhaus Europas“ bezeichnet. Eishockey als Sport Nummer eins, sogar zuletzt Ausrichter einer WM bei den Puckjägern. Aber auch Fußball und Handball gelten allgemein als sehr beliebt. Klar ist: Es wird nicht nur für mich eine Erkundungstour ins Unbekannte!

Europa League? Das sind unsere sechs Partien

Für solche Reisen, das war von Beginn an klar, haben wir 25 Jahre lang gelitten wie die Schweine. Haben Abstiege über uns ergehen lassen, haben uns zum Gespött der Fußball-Nation gemacht, haben unseren Frust in Gesänge und Bier in unsere wohlgeformten Körper hinein gegossen. Seit Tagen kribbelt es schon massiv. Sehen wir uns in Belarus? Wie reist du an und wann bist du da? Bist du im Gästeblock oder hast du dir anderweitig ein Ticket organisiert? Die bestimmenden Fragen in den letzten Tagen. Seit Stunden sind meine Streams in den Sozialen Netzwerken voll mit Einträgen rund um das Spiel, voll mit Vorfreude, Anreise, Vor-Ort-Bildern – es ist eine wahre Freude!

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Letztlich fühlt es sich auch deshalb nicht ganz so schlimm an, wie es derzeit um den glorreichen 1. FC Köln steht. Wir sind dort angekommen, wovon wir lautstark nur zu träumen gewagt hatten. Wir haben sechs Partien, die uns sind – und niemand anderem. Wen interessiert da die sportliche Talfahrt? Wen juckt der letzte Platz in der Bundesliga, die Niederlagen in den beiden Europa-League-Spielen? Wie sangen schon die Bläck Fööss, die Hausband aller kölschen Seelen: „Denn mir Kölsche, mir klääve wie d’r Düvel am Lääve. Uns Kölsche nimmp keiner – ejal wat och weed – dä Spaß für ze laache, dä Bock jet ze maache, mir klääve am Lääve, uns kritt keiner klein.“

Lehmann: “Wir wollen uns Selbstbewusstsein holen”

Die Spieler freuen sich derweil nicht so ganz auf den Trip nach Weißrussland: Vor dem enorm wichtigen Bundesliga-Duell gegen Werder Bremen wird die eigentlich als europäischer Festabend eingeplante Begegnung zur lästigen Pflichtaufgabe. „Es ist das erste Mal, dass uns die Europa League ungelegen kommt, weil das Spiel am Sonntag deutlich wichtiger ist“, gesteht effzeh-Kapitän Matthias Lehmann ein. So wird auch Peter Stöger einigen Spieler eine Bewährungschance geben: Dominic Maroh und Marco Höger könnten ins Team zurückkehren, Jannes Horn einen neuen Anlauf nehmen. „Wir wollen uns Selbstvertrauen für Werder holen“, gibt Lehmann die Marschroute vor.

Für uns wird es so oder so eine unvergessene Tour: Der Ostblock wartet auf uns! Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Mit dem 1. FC Köln nach Europa? Es ist immer noch ein unwirklicher Traum. Auch die Beamtin aus dem Bezirksrathaus konnte es noch nicht wirklich begreifen. Mein Reisepass war rechtzeitig fertig – beim Abholen saß die nette Dame diesmal am Ausgabeschalter. „Köfferchen schon gepackt?“ lautete diesmal die Frage, diesmal gar nicht mehr so neutral. „Machen Sie sich eine schöne Zeit auf der Reise“ – das werden wir. Es ist vielleicht das vorletzte Auswärtsspiel auf internationaler Ebene. Wir sollten jede Millisekunde davon genießen!

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