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Meinung

Der 1. FC Köln vor der Mitgliederversammlung: Risse im Fundament

Beim 1. FC Köln steht die Mitgliederversammlung vor der Tür und Werner Spinner sorgt mit einem Interview für Wirbel. Die Reaktionen zeigen, dass die Debatte um die Initiative “100%FC” erhebliches Konfliktpotenzial birgt.

LEIPZIG, GERMANY - FEBRUARY 25: President Werner Spinner of Koeln looks on prior to the Bundesliga match between RB Leipzig and 1. FC Koeln at Red Bull Arena on February 25, 2017 in Leipzig, Germany.
Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images

Auf die Palme brachte manchen FC-Fan allerdings eine ganz andere Aussage des Präsidenten, der seinen jährlichen Aufruf an die Mitglieder, zur Versammlung zu kommen für einen Vergleich mit der anstehenden Bundestagswahl nutzte. In einem großen Verein müssten Abstimmungen und Wahlen möglichst repräsentativ sein, erklärt Spinner zunächst. “Das sind sie nun einmal nicht, wenn eine engagierte, organisierte Minderheit an diesem Abend plötzlich bestimmend wird, weil die allermeisten Mitglieder zu Hause bleiben” führt er weiter aus. “Das ist wie bei einer Bundestagswahl: Je geringer die Beteiligung, desto stärker profitieren die Extreme.”

Vergleicht Spinner die Initiative mit der AfD?

Im Kontext des Interviews, das sich vordergründig um den Antrag von “100%FC” drehte, interpretierten einige FC-Fans die Aussage als Vergleich der Initiative mit radikalen politischen Parteien. Spinner dürfte mit seinem Vergleich allerdings nicht “Extreme”, die bei der Mitgliederversammlung etwa zur Wahl stehen (oder einen Antrag zur Abstimmung bringen) würden, sondern eher die zuvor beschriebene “engagierte, organisierte Minderheit” innerhalb der am Montag anwesenden Mitglieder gemeint haben. Angesichts der in den letzten Tagen vom “Südkurve 1. FC Köln e.V.” herausgegebenen Statements, in denen die Ultra-Gruppen Fragen zur Zukunft des Stadions gestellt und sich für die Initiative “100%FC” ausgesprochen hatten, scheint klar zu sein, wem Spinner bei seinem Vergleich die Rolle der “Extremen” zuschreiben dürfte.

Auf unsere Anfrage erklärte der Verein jedenfalls: “Herr Spinner hat – wie jedes Jahr – dafür argumentiert, dass möglichst viele Mitglieder zur Versammlung kommen. In diesem Zusammenhang hat er aus aktuellem Anlass auf die Bundestagswahl verwiesen. Eine Gleichsetzung der Initiative 100 % FC mit politischen Extremen ist weder gemeint noch beabsichtigt.” Die “engagierte, organisierte Minderheit”, die mit dem Vergleich tatsächlich gemeint gewesen sein dürfte, reagierte derweil auf die ihr eigenste Art und Weise und präsentierte beim Heimspiel gegen Frankfurt am Mittwochabend prompt ein Spruchband: “Ja zur Satzungsänderung!”, stand darauf geschrieben.

Und so ist es zwar möglich, dass die Worte Spinners tatsächlich ohne Hintergedanken in Richtung der Initiative als solcher und lediglich wegen der bevorstehenden Bundestagswahl gefallen sind. Wenig sensibel sind sie aber dennoch. Schließlich gibt es in Köln schon etwas länger erste Anzeichen für etwas, das Spinner, der einst angetreten war, um den Verein zu vereinen, zwischenzeitlich nahezu gänzlich hatte verschwinden lassen können: Kleine Risse im Fundament.

Erste Risse im Kölner Fundament

Die aufgeheizten Reaktionen einiger Anhänger auf das Interview sind jedoch neben der Sorgen um die Zukunft des Standorts Müngersdorf und einem ohnehin angespannten Verhältnis zwischen Club und aktiver Fanszene nur ein weiteres Zeichen für eine wahrgenommene beginnende Entfremdung von Verein und Anhängern, die sich nicht nur auf ausgewiesene Ultras zu erstrecken scheint. Der wenig dankbare Umgang des Vereins mit den überwiegend vollkommen friedlichen Fans, die zum Europapokal-Spiel nach London gereist waren, ist nur eines der jüngsten Beispiele.

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Dennoch gilt: Der 1. FC Köln mag zwar mittlerweile knapp 100.000 Mitglieder haben, derartig leidenschaftlich, dass sie auch an einem Montagabend zur Mitgliederversammlung anreisen, sind jedoch die wenigsten. Ob es angesichts dessen ratsam ist, diese treuen paar tausend Fans, die alljährlich vor Ort sind, wenn der Verein seine Versammlung abhält, indirekt mit politischen Extremen gleichzusetzen, weil sie von ihrem Recht abzustimmen, Gebrauch machen, während viele andere darauf verzichten, sei – ob nun bewusst oder nicht – einmal dahingestellt. Mit dem einstigen Vorsatz, den “Verein zu vereinen”, scheint das Vorgehen Spinners allerdings nur noch wenig kompatibel zu sein. Und da muss die Frage, ob man in einem Verein so miteinander umgehen sollte, dann genauso erlaubt sein. Am kommenden Montag wird sie vermutlich aber ohnehin gestellt werden – kurioser Weise vielleicht sogar von allen Beteiligten.

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